Der Politikwissenschaftler Patrik Korda hält den Bitcoin für „digitale Alchemie”. Im iRights.info-Interview spricht er über die Entwicklung der digitalen Währung, die zuletzt mit Kurshöhenflügen und -Abstürzen in die Schlagzeilen gelangt ist.
Hintergrund: Der Höhenflug der Kurse bei der digitalen Währung Bitcoin fand im April ein vorläufiges Ende. US-Behörden und die Europäische Zentralbank wollen Bitcoin unterdessen stärker regulieren. Patrik Korda ist Politikwissenschaftler in New York und veröfffentlichte kürzlich einen Artikel über die „Bitcoin Bubble 2.0”.
iRights.info: Patrik Korda, Sie vergleichen die virtuelle Währung Bitcoin mit der Tulpenmanie im Holland des 16. und 17. Jahrhundert. Damals bildete sich im Tulpenhandel eine Spekulationsblase. Was hat das eine mit dem anderen gemein?
Patrik Korda: Es gibt mehrere Gründe, die zu diesem Vergleich führen. Zunächst ist es der Preisanstieg, der wie eine Parabel ins Unendliche führt. Ich betone es immer wieder: Der Preis hat mit der tatsächlichen Wertstellung der Währung sehr wenig gemeinsam. Es geht also nicht darum, wo wir uns im Preislevel befinden, sondern wie Bitcoin dort hingekommen ist. Sowohl der Handel mit Tulpen im 16. Jahrhundert als auch die Bitcoins wurden beide als etwas völlig Neues wahrgenommen.
Derartige Umbrüche im Denken sind gewissermaßen ein Markenzeichen für den aufkeimenden Wahnsinn. Immer, wenn etwas Neues – wie Straßen, das Radio, Internet oder digitale Währungen – eingeführt wird, ging das mit einer neuen Denkweise einher. Stets glaubt man, jetzt sei wirklich alles anders als zuvor. Dabei lassen sich die Teilnehmer von der Preisentwicklung in die Irre führen. Die Idee dahinter ist verständlich, aber da die Preise dramatisch gestiegen sind, wird irgendjemand letztlich auch für den Verfall der Währung bezahlen müssen. Etwas teuer einzukaufen und zu hoffen, der Preis ginge noch weiter hinauf, funktioniert auf Dauer nicht. Das war bei den Tulpen ganz ähnlich.
iRights.info: Sie glauben an eine Spekulationsblase, da dieser Markt nicht organisch gewachsen sei. Wie kommen Sie dazu?
Patrik Korda: Wenn wir eine Blase als Hyperinflation des Kapitals bezeichnen, ist es schwierig, Bitcoin darunter zu fassen. Wir müssen bedenken, dass hier das Konzept der Ansteckung greift: Auf einem normalen Markt agieren professionelle Händler, die wissen, dass ihre Gewinne nicht in den Himmel wachsen. Hier aber handeln Laien und machen uns glauben, der Markt wäre komplett gesättigt. Bei Modeerscheinungen wie Kartenlegen, Magie oder Bitcoin könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Markt schnell gesättigt ist und dementsprechend der Preis in die Höhe schnellt. Bis zum vollständigen Zusammenfall des Marktes braucht es weit weniger verlorenes Kapital als bei einem Pfandbriefmarkt. Von daher dürfte der Kollaps weit schneller vonstatten gehen.
iRights.info: Platzt die Blase gerade? Was kommt danach?
Patrik Korda: Geknallt hat es schon bei einem Wert von 260 US-Dollar pro Bitcoin. Seitdem ist der Wert auf rund 60 Dollar gefallen und wieder auf 160 Dollar pro Bitcoin hochgeschnellt. Der Kurs bäumt sich nach meiner Meinung noch ein letztes Mal auf, was für sehr emotionale Märkte typisch ist. Das Gleiche passierte auch 2011 bei Silber und anschließend bei den ersten erheblichen Kursschwankungen von Bitcoin. Im Laufe dieses Jahres wird sich der Preis neu einpendeln. Nachdem im Mai 2011 Silber einen Höchststand von 48 Dollar pro Unze erreichte, machte der Kurs für zwei Jahre eine schreckliche Entwicklung durch. Die Anleger verloren immer mehr ihren Glauben an dieses Gut und verkauften das Silber trotz des Verlustes. Dieses Verhalten wird sich wiederholen.
Bei Bitcoin wirkt sich preissteigernd aus, dass hier eine Menge naiver Händler teilnehmen. Deswegen konnte der Kurs auch wiederbelebt werden. Andererseits drückt es den Preis, dass diese Währung nur virtuell existiert. Bitcoin kann in der Industrie nicht als Zahlungsmittel verwendet werden. Er ist lediglich ein religiöses Wirtschaftsgut, welches der Vorstellungskraft der Händler entspringt. Geht der Glauben daran verloren, kann der Wert im Extremfall auch auf null sinken.
iRights.info: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus, dass es keine staatliche Kontrolle für diese Währung gibt?
Patrik Korda: Diese Frage wird sicher jeder anders beantworten. Was der eine Betrachter als Vorteil ansieht, ist ein Nachteil für den anderen. Nicht jeder plädiert für eine vollständige Liberalisierung der Märkte. Die meisten Menschen dürften eine staatliche Regulierung bevorzugen, die beispielsweise einen Ersatzanspruch mit sich bringt. Ich stimme dem Bitcoin-Entwickler Jeff Garzik zu. Er sagt: Wenn diese Währung jemals im Mainstream ankommen sollte, kommt man um eine ganze Menge Regeln und Bestimmungen nicht herum.
Vor allem aber könnte der Staat sehr leicht die Kontrolle über diese Währung erhalten. Für die USA wäre es am leichtesten, sie kaufen bis zu sechs Millionen Bitcoin und übernehmen damit die absolute Kontrolle. Um den Preis nicht zu beeinflussen, müsste man den Ankauf in vielen kleinen Schritten durchführen. Selbst bei einem Gegenwert von bis zu 800 Dollar pro Bitcoin wäre dies für die USA kein Problem. Und selbst, wenn herauskommen würde, dass der Staat die Kontrolle übernommen hat, gäbe es noch die Option, stattdessen Icoins, Litecoins, Coinbits oder ähnliche Alternativwährungen zu handeln. Anders als bei Gold gibt es für digitale Währungen keinen physischen Gegenwert, sie können ihren Wert komplett verlieren.
iRights.info: Wie weit kann die Anonymität gewährleistet werden? Ist diese Währung deswegen vielleicht sogar eine gute Option für Kriminelle?
Patrik Korda: Ich bin nicht technisch qualifiziert genug, um zu entscheiden, wie gut die Transaktionen im Nachhinein auf Nutzer zurückführbar sind. Die Transaktionen könnte man jeweils mit unterschiedlichen IP-Adressen durchführen, um die wahre Identität zu verschleiern. Der Bitcoin-Bestand ist aber so groß, dass eigentlich niemand zum Beispiel beim Kauf von Drogen via Bitcoin verfolgt werden kann, zumal die Ressourcen der Ermittlungsbehörden begrenzt sind. Wer eine Entdeckung erschweren will, muss seinen Datenstrom mit Tor oder anderen Diensten verschlüsseln. Der Internet-Provider kann sonst erkennen, ob jemand Websites liest oder ein paar Bitcoins übertragen will. Zudem erhalten Ermittler bei Verdacht sofort Zugang zu den Daten der Internet-Provider. Wahrscheinlich sind Bitcoins letztlich nur so anonym, wie man glaubt, bei Prepaid-Simkarten unerkannt zu sein.
iRights.info: Sie haben in einem Artikel geschrieben, nur eine Minderheit werde in der Lage sein mit dieser Währung zu bezahlen, weil nur wenige Menschen über die notwendige Technik verfügen. Wann ist denn die Zeit für digitale Währungen gekommen?
Patrik Korda: Ich persönlich glaube, es wurde eine neue Form der modernen Alchemie hervorgebracht. Obwohl ich bezweifle, dass Bitcoin ein revolutionärer Erfolg wird und ich eine Abneigung gegen imaginäre Währungen habe, muss ich trotzdem anerkennen, dass digitales Geld schon jetzt Bestand hat.
Was die mangelnde Verkäuflichkeit angeht: Dieses Problem wird möglicherweise im Laufe der Zeit gelöst. Einerseits könnte eine neue Währung kommen, die tatsächlich einfach zu handhaben sein wird. Andererseits haben in Zukunft immer mehr Menschen Zugriff auf Smartphones und die Cloud, wodurch sie eine digitale Währung benutzen könnten. Trotzdem muss es im Kern eine Währung geben, die greifbar ist und die real verkauft werden kann. Der Grund dafür ist sehr einfach, aber wahrscheinlich schwer nachzuvollziehen: Solange die digitale Währung lediglich wie eine Verrechnungseinheit benutzt wird, kommen für die Industrie nur weitere Kosten für die Transaktionen hinzu.