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Bundesgerichtshof: Online-Videorekorder müssen Lizenzen erwerben

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Die Online-Videorekorder Shift-TV und Save-TV müssen Lizenzen erwerben, wenn sie ihre Dienste betreiben wollen. Sie greifen in das Weitersenderecht der Fernsehsender ein, so das erneute Urteil des Bundesgerichtshofs im Streit der Rekorder-Anbieter mit RTL und Prosieben-Sat1. Offen lässt das Urteil, ob die klagenden Sender solche Rechte verweigern dürfen. 

Online-Videorekorder greifen in das sogenannte Weitersenderecht von Fernsehsendern ein. Das hat der Bundesgerichtshof heute in mehreren, parallel geführten Verfahren zwischen RTL, Prosieben-Sat1 und den Anbietern Shift-TV und Save-TV entschieden. Er bestätigt damit Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden, gegen das Shift-TV und Save-TV die Revision erstritten hatten. Ob die Fernsehsender solche Rechte auch einräumen müssen oder das verweigern können, hat er allerdings offen gelassen. Das müssen die Dresdner Richter jetzt erneut prüfen.

Es ist bereits die zweite Runde vor dem Bundesgerichtshof, bei der es um die Voraussetzungen geht, unter denen Online-Videorekorder angeboten werden dürfen. Mit den werbe- und abofinanzierten Diensten können die Nutzer Fernsehsendungen übers Netz aufnehmen und später als Stream oder Download ansehen. 2009 hatte sich der Bundesgerichtshof zum erstem Mal mit dem Streit befasst – vor allem damit, ob die Dienste nach der Privatkopie-Regel erlaubt sind. Insgesamt wird der Streit über Online-Videorekorder seit inzwischen sieben Jahren vor deutschen Gerichten ausgetragen. Zwei Konfliktlinien haben sich herausgebildet:

1. Rechte der Fernsehsender werden verletzt

Bei der jetzigen Entscheidung über die „Weitersendung” geht es um die Frage, ob die Anbieter gegen Rechte der Sender verstoßen, wenn sie deren Signale nutzen. Denn auf einer Zwischenstation – wenn die Dienste das Fernsehsignal abfangen, aufzeichnen und die Dateien in die Onlinespeicher der Nutzer verteilen – verletzten sie Leistungsschutzrechte der Sendeunternehmen; selbst dann, wenn die Kopien beim Nutzer erlaubt sind. Das legte schon das BGH-Urteil von 2009 nahe. Demnach müssen die Anbieter von Online-Videorekordern die Rechte zum Weitersenden des Signals einholen.

Seitdem sich vor Gerichten die Tendenz abzeichnete, dass die Rekorder-Anbieter solche Weitersenderechte benötigen, pochen diese darauf, dass die Sender ihnen die Rechte nicht verweigern dürfen. Für die Rekorderdienste müsse das gleiche gelten wie für Kabelunternehmen, denen die Fernsehsender solche Rechte unter bestimmten Bedingungen nach einer gesetzlichen Regel einräumen müssen. „Das Berufungsgericht hat es bislang versäumt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erhebung dieses Zwangslizenzeinwands vorliegen”, so der Bundesgerichtshof jetzt. Zur aktuellen Entscheidung gibt es bislang nur die Pressemitteilung, die genaue Argumentation lässt sich erst den Urteilen entnehmen, wenn sie veröffentlicht sind (I ZR 151/11, I ZR 152/11 und I ZR 153/11).

Save-TV etwa hatte schon länger versucht, die Weitersenderechte zu bekommen. Die zuständige Verwertungsgesellschaft VG Media, bis 2010 zur Hälfte RTL-Tochter, hatte das aber verweigert; mittlerweile vermarktet RTL die entsprechenden Rechte selbst. Die Aufsichtsbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hatte dann gegen eine solche Pflicht entschieden. Die Verwertungsgesellschaft könne die Rechte nicht vergeben; bei Online-Videorekordern handele es sich um eine neue Nutzungsart, für die die Sender die entsprechenden Rechte gar nicht in die VG Media eingebracht hätten. Dieser Streit wiederholt sich jetzt, wenn die Dresdner Richter neu darüber entscheiden müssen.

2. Aufzeichnungen vom Nutzer bleiben Privatkopien

Beim Online-Aufnehmen fallen Kopien an, die in das Vervielfältigungsrecht der Fernsehsender eingreifen. Die Frage ist: Wer stellt die Kopien her? 2009 hatte der Bundesgerichtshof das offen gelassen, aber dem Oberlandesgericht Dresden aufgetragen, die Sache zu prüfen. Das Urteil der Dresdner Richter: Nicht der Onlinedienst, sondern der Nutzer selbst erstellt die Kopien. Programmiert er seinen Online-Videorekorder, wird beim Anbieter nur ein automatisierter Vorgang ausgelöst. Der Anbieter tritt sozusagen an die Stelle des heimischen Videorekorders, hat ansonsten aber keinen Einfluss mehr auf den Kopiervorgang.

Das heißt: Die Online-Aufzeichnung fällt unter die Privatkopie-Regel, zumindest die Nutzer sind aus dem Schneider. Sie dürfen Online-Videorekorder zum privaten Gebrauch demnach genauso verwenden wie die klassischen. Der Anbieter Shift-TV schmückt sich mit dem Urteil gleich auf der Startseite. Allerdings: das Landgericht München hat die Privatkopie-Frage in einem weiteren Streit zwischen Save-TV und Prosieben-Sat1 dann wieder anders beurteilt. Der Anbieter des Videorekorders verletze das Vervielfältigungsrecht, die Privatkopieregel gelte für ihn nicht. Der Streit ist aber in der Berufung und das Urteil vom August 2012 noch nicht rechtskräftig.

Umkämpfte Werbeeinnahmen

Hinter den juristischen Manövern um die sogenannten Zwangslizenzen geht es im Streit über Online-Videorekorder um Geschäftsmodelle und Werbeeinnahmen: Die Videorekorder zählen nicht in der Einschaltquotenmessung. Die Fernsehsender beklagen auch, dass Werbeeinnahmen zu den Onlinediensten abwandern. Zumindest in der Rechnung der Sender stören die Anbieter das Verwertungsmodell, verlässliche Zahlen gibt es aber kaum. Eine gemeinsame Mediathek, von der sich RTL und Sat1 höhere Werbeeinnahmen erhofften, scheiterte 2011 am Einspruch des Bundeskartellamts. Erst gestern gab auch der TV-Streaminganbieter Zattoo bekannt, sich mit RTL geeinigt zu haben – RTL wird es dort jedoch nur in der Pro-Version zu sehen geben, die auf eigene Werbeschaltungen von Zattoo verzichtet.

Die Anbieter der Online-Videorekorder wiederum sehen innovative Dienste ausgebremst und blockiert. Sie können für sich in Anspruch nehmen, dass neuartige Angebote immer wieder den Widerstand von Rechteinhabern herausforderten, etwa beim klassischen Videorekorder und dem legendären „Betamax”-Streit in den USA. Mit seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof zwar mehr Klarheit geschaffen, unter welchen Bedingungen das Geschäftsmodell der Online-Videorekorder möglich ist, es betrifft aber nur den jetzigen technischen Stand der Dinge. Mit der weiteren Entwicklung zum internetbasierten Fernsehen werden die Auseinandersetzungen darüber, wer Fernsehsignale wie nutzen darf, wohl eher noch zunehmen.

Update, 8.5.2013: Die Urteile sind jetzt im Volltext veröffentlicht (I ZR 151/11, I ZR 152/11, I ZR 153/11).


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