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Export von Überwachungstechnologie wird stärker reguliert

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Sie heißen Finfisher, Hacking Team oder Trovicor und ihr Geschäft boomt: Überwachungstechnologien aus dem Westen sind Exportschlager und ein Milliardengeschäft. Der Markt wächst rasant und bislang weitgehend unkontrolliert. Dem hat die internationale Staatengemeinschaft vergangene Woche einen ersten Riegel vorgeschoben.

Am 4. Dezember gaben die 41 Mitgliedsländer des Wassenaar-Abkommens für Exportkontrollen von konventionellen Waffen und doppelverwendungsfähigen Gütern und Technologien bekannt, Überwachungstechnologien in die Liste der kontrollierten Exportgüter mit aufzunehmen.

Das Abkommen besteht seit 1996 und ist das wichtigste internationale Vertragswerk zur Kontrolle und Begrenzung von Rüstungsexporten. Die darin vereinbarten Kontrollaufgaben werden von einem ständigen Büro in Wien koordiniert. Zu den Mitgliedsländern gehören alle führenden Industrienationen, darunter die USA, Russland, Japan, Frankreich und Deutschland. Neben Rüstungsgütern regelt es auch den Export sogenannter Dual-Use-Güter wie Telekommunikations- und Navigationstechnologie. Auch bestimmte starke Kryptographietechnik unterliegt in den am Abkommen teilnehmenden Staaten Kontrollen, etwa der Dual-Use-Verordnung der EU.*

In der Stellungnahme (PDF) von vergangenem Mittwoch erkennen die Mitgliedsländer erstmals an, dass auch Überwachungstechnologie „unter bestimmten Bedingungen der internationalen und regionalen Stabilität und Sicherheit abträglich sein kann“, wie es in der Erklärung heißt. Nichtregierungsorganisationen, darunter Privacy International und Reporter ohne Grenzen, begrüßten dies mit vorsichtigem Optimismus. „Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Hauke Gierow, Referent für Informationsfreiheit im Internet bei Reporter ohne Grenzen. Die Organisation weist seit langem darauf hin, dass Überwachungstechnologie westlicher Firmen zunehmend von repressiven Regime zur Unterdrückung von Journalisten, Menschenrechtlern und Dissidenten genutzt wird (PDF).

Entscheidungsstau oder schnelle Reaktion

In der Erklärung sind Technologien zur Überwachung, Informationsbeschaffung und Systeme zur Überwachung IP-basierter Netzwerke als die Bereiche benannt, die zukünftig der Kontrolle unterliegen werden. Welche Produkte dadurch konkret auf der Liste landen werden und mit welchen technischen Spezifikationen, ist allerdings noch unklar. „Wir warten jetzt noch auf die Details der Implementierung, denn darauf wird es am Ende ankommen“, schränkt Gierow ein. Und das könnte eine Weile dauern. Denn die Beschlüsse müssen in Brüssel vom EU-Parlament umgesetzt werden. „Aber derzeit hängen dort noch die Änderungen der letzten zwei Jahre fest“, sagt Gierow.

Dass es mit dem nötigen politischen Willen auch sehr viel schneller gehen kann, beweist derzeit Frankreich. Die Französische Regierung hat als Reaktion auf die Beschlüsse in Wien schon jetzt festgelegt, dass Hersteller von Überwachungstechnologien in Zukunft Exportgenehmigungen für ihre Produkte brauchen. „Das könnte die Bundesregierung ja auch machen“, sagt Gierow. Wie dringend eine schnelle Regulierung des Marktes nötig ist, zeigt die wachsende Zahl an Fällen, in denen Sicherheitstechnologie von repressiven Regime gegen die Bevölkerung eingesetzt wird. „In Syrien zum Beispiel war deutsche Technologie im Einsatz, in Libyen wurden Produkte einer französischen Firma gefunden, in Ägypten gab es ein Angebot von der Firma Gamma Fin Fisher“, sagt Gierow.

Dass die neuen Exportkontrollen Überwachung und Repression effektiv verhindern werden, ist zwar unwahrscheinlich, denn viele Länder gehören nicht zum Abkommen, und bereits vorhandene Technologie wird auch weiterhin genutzt werden. Aber der bislang vollkommen intransparente Handel stünde damit erstmals offiziell unter Beobachtung.

*Update, 13.00: In einer früheren Version dieses Artikel stand, dass starke Kryptographie allgemein dem Abkommen unterliegt. Diese Aussage wurde korrigiert.


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